Person und Maschine

© Ralf Franke, BMWi; WavebreakMediaMicro - Fotolia.com

Als Digitalisierung versteht man den Wandel hin zu elektronisch gestützten Prozessen mittels Informations-­ und Kommunikationstechnologien. Doch sie ist nicht dasselbe wie Industrie 4.0. Letztere spielt auf die vierte industrielle Revolution an. Damit erhebt der Begriff jedoch Anspruch auf Neuerungen in einer Größenordnung, die weit über die Digitalisierung und Automatisierung von Fertigungsprozessen hinausgehen. Doch wofür steht "4.0" dann?

4.0­-Anwendungen sind zumindest von drei Wesensmerkmalen geprägt:

  • Neues Denken: Das "alte Denken" richtete sich auf das Produkt, kreiste um die Leistung und Fragen des Eigentums. Das "neue Denken" orientiert sich am Ökosystem und richtet den Blick deshalb auf die Wirkung und den Besitz. Ein Beispiel ist die Interessenverlagerung weg vom Auto hin zu Mobilität.
  • Integration in das Ökosystem: Das Unternehmen agiert mit seiner Umwelt zum Vorteil für alle, z. B. mit anderen Unternehmern, Kunden, Talenten, Bildungseinrichtungen etc.
  • Vernetzung und Informationsaustausch: Kooperation und der Austausch von Daten prägen das Handeln. Diese drei Charakteristika machen die Nutzung von Sensoren und Big­-Data-­Analysen notwendig und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle möglich.


Die Anforderungen an Mittelstand 4.0: Mehr als Industrie 4.0

Etwa Dreiviertel aller mittelständischen Betriebe gehören zum Dienstleistungssektor. Hier zeigt sich: Das Schlagwort "Industrie 4.0" beschränkt sich auf den industriellen Sektor. Die Mehrheit der kleinen und mittleren Betriebe bleibt damit außen vor. Doch tatsächlich ist auch dieser Sektor 4.0-­tauglich.

Ein Beispiel: Eine Wäscherei organisiert einen Hol­ und Bring-­Service für schmutzige bzw. gewaschene Hemden via Kunden­-App. Die Wäscherei digitalisiert also Teile ihres Geschäftsprozesses, aber weist keines der 4.0­-Wesensmerkmale auf. Dagegen denkt die fiktive Clean Shirt 4.0­-Wäscherei völlig neu: Kunden möchten nicht nur gewaschene, sondern frische und saubere Hemden von tadelloser Qualität. Also integriert die Firma Sensoren in Hemden und Wäschesack ihrer Kunden. Kurz bevor der Wäschesack voll ist, gibt er Meldung an das Smartphone des Kunden, welches den Status an Clean Shirt 4.0 übermittelt. Sie holt die benutzten Hemden ab und liefert neue. Die Clean­-Shirt­-App liefert zudem weitere Daten für eine Big­-Data­-Analyse, indem sie Daten des Terminkalenders, aktuelle und künftige Aufenthaltsorte, Gewicht, Gesundheit und Fitness, etc. des Kunden feststellt. Aus den Daten wird sein aktueller und künftiger Bedarf ermittelt. Die Folge: Plant der Kunde seinen Sommerurlaub mit All­-Inclusive-­Buffet schickt die Wäscherei ihm weitgeschnittene Freizeithemden, steht ein Opernbesuch an, kommt das Smoking­-Hemd. Clean Shirt 4.0 passt die Hemden also dem Bedarf seines Kunden an. Diese flexible Reaktion ermöglicht die Kooperation mit Hemdenherstellern (Ökosystem).

Warum der Weg ins 4.0-Zeitalter über die Mitarbeiter führt

Doch was müsste eine Wäscherei beachten, wenn sie diesen Weg ins 4.0-­Zeitalter einschlagen will? Die Antwort lautet: vieles, von der Marktanalyse bis zur Wahl der Sensoren und Kooperationspartner. Ein wichtiger Aspekt jeder Digitalisierungsstrategie: die Mitarbeiter. Viele ihrer Tätigkeiten bleiben zwar gleich, etwa die Textiltrennung. Andere Tätigkeiten, wie die Nummerierung bei der Warenannahme, entfallen. Doch die Mitarbeiter müssen sich einer Vielzahl neuer Aufgaben stellen: Sie organisieren die Abholung und Lieferung, leben die Kooperation mit Hemdenherstellern im Berufsalltag und reagieren blitzschnell auf die Kundenwünsche bzw. die Ergebnisse der Datenstromanalyse. Kurzum: Sie füllen Clean Shirt 4.0 mit Leben. Doch um dieses Ziel zu erreichen, müssen Sie befähigt werden, ihre neuen Aufgaben erfüllen zu können. Sie brauchen Weiterbildung, damit sie das neue Geschäftsmodell verstehen, mit den neuen Anwendungen umgehen lernen und vor allem: die Wandlung zur Wäscherei 4.0 akzeptieren und mitgestalten.