Mann stoppt mit seiner Hand das Umfallen von Dominosteinen

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Worum geht‘s?

Die EU-Kommission hat im Dezember zwei Gesetzesentwürfe zur Regulierung digitaler Märkte vorgelegt, die die Macht einzelner Plattformen begrenzen sollen. Hintergrund ist, dass große digitale Plattformen den Zugang von Unternehmen zu deren Kunden kontrollieren können. Sie sind damit sogenannte Gatekeeper. Sie können die Informationen, die die Endnutzer sehen, ebenso kontrollieren wie die Funktionalität, das Angebot und die Positionierung der Unternehmen, die über die Plattform anbieten.

Der Digital Services Act und der Digital Markets Act sollen die Artikel 12 bis 15 der E-Commerce Richtlinie ablösen und die Regulierung der digitalen Märkte an die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Denn in den letzten 20 Jahren seit Inkrafttreten dieser Regulierung hat sich die Situation grundlegend geändert. Nicht nur der Einfluss großer Plattformen, wie Amazon, Google, Facebook und Co., hat rapide zugenommen, auch auf Phänomene, wie Falschmeldungen und Hass-Posts, muss die Gesetzgebung reagieren.


Was soll der Digital Services Act ändern?

Erstmals soll definiert werden, was eine „sehr große Plattform“ ist, nämlich wenn eine Plattform mehr als 45 Millionen Nutzer in der EU und dadurch unverhältnismäßig viel Einfluss hat. Diese Unternehmen sollen „Compliance Officers“ ernennen, die sicherstellen, dass die neuen Regeln auch umgesetzt werden.

Zukünftig soll die Regulierung schon eingreifen, bevor ein Unternehmen einen Markt dominiert. Zwar wurden etwa gegen Google und Amazon bereits Milliardenstrafen wegen Marktmachtmissbrauchs verhängt, allerdings dauern solche Verfahren meist mehrere Jahre. Kleinere Konkurrenten überleben diesen Zeitraum vielleicht nicht.

Zum einen sollen der Einfluss der großen Player verringert und die Rahmenbedingungen europaweit vereinheitlicht werden. Zum anderen sollen Internet-Plattformen mehr Verantwortung für die Inhalte übernehmen, die auf ihren Seiten veröffentlicht werden. Plattformen sollen Vorgaben für die Moderation von Inhalten bekommen und nicht mehr wie bisher selbst entscheiden, welche Inhalte sie löschen und welche nicht. Werbung soll transparenter gekennzeichnet werden. Und Verkaufsplattformen wie Amazon sollen die Anbieter auf ihren Seiten überprüfen. Verbraucherschützer hatten immer wieder den Verkauf von gefälschten Produkten beklagt, der für Kunden nicht ersichtlich war.

Auch die Interoperabilität von Diensten soll geschaffen werden, z. B. zwischen unterschiedlichen Messenger-Diensten oder zwischen verschiedenen Social-Media-Plattformen.

Eine grundsätzliche Haftung der Plattformen, etwa für illegale Inhalte auf ihren Seiten, ist aber wohl nicht vorgesehen. Demnach würde es bei dem bisherigen Prinzip bleiben, dass beispielsweise Facebook illegale Inhalte erst dann löschen muss, wenn das Unternehmen darauf hingewiesen wird.

Was wäre der Vorteil für kleine Plattformen und Unternehmen, die Plattformen nutzen?

Die Rede ist von einer Beendigung der Fragmentierung des Binnenmarktes und vom Schaffen fairer Bedingungen, die für mehr Wettbewerb und damit für mehr Innovation sorgen sollen. Wettbewerbsschädigendes Verhalten großer Plattformen gegenüber kleinerer Konkurrenten soll frühzeitig unterbunden werden. Tatsächlich können die vorgesehenen Regelungen Vorteile auch für die Nutzer von Plattformen bringen. Es sollen faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle gelten. Einheitliche Regeln sollen es vor allem kleinen Unternehmen einfacher machen, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren und weniger Ressourcen für Rechtsfragen aufwenden zu müssen.

Händler, die über große Handelsplattformen anbieten, dürften nicht zu Exklusivangeboten gedrängt werden und die Empfehlungsalgorithmen müssten offengelegt werden. Alle Plattformen müssten mehr Verantwortung für ihre Inhalte übernehmen. Das schützt z. B. Kunden vor dem Kauf gefälschter Ware und Nutzer von Social Media vor der Verbreitung falscher oder illegaler Inhalte und vor intransparenten Werbeanzeigen.

Welche Konsequenzen hat das für große Plattformen?

Nach Informationen der Financial Times drohen den Unternehmen Strafen von bis zu sechs Prozent des Umsatzes im Vorjahr. Eine Zerschlagung großer Plattformen wird derzeit in der EU-Kommission nicht diskutiert.

Was passiert jetzt?

Erstmal noch nichts – der Digital Services Act ist zunächst ein Entwurf, den vor seiner Umsetzung noch Gegenvorschläge und Diskussionen im Parlament und zwischen den Mitgliedstaaten erwarten. Mit einer solchen Reform würde ein konsequenterer Kurs gegenüber den großen Plattformen eingeschlagen. Bisher setzte die EU-Kommission eher auf Freiwilligkeit z. B. bei der Eindämmung von Falschnachrichten oder Hass-Posts.

Welche Behörde für die Kontrolle zuständig ist oder ob eine neue Institution geschaffen wird, steht noch nicht fest

Ein „Digitales Grundgesetz“ für Europa?

So nennt es zumindest Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im EU-Parlament. Der Vorschlag ist unter anderem deshalb so wichtig, weil die EU-Gesetzgebung der kommenden Jahre darauf aufbauen soll: „Es ist die Grundlage für die Regulierung von Plattformen aller Art und daran können wir heute und in den kommenden Jahren spezifische Gesetze und Auflagen andocken“, sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton kürzlich der Welt. Als Beispiele nannte er Terrorismus, Kinderpornografie oder Hass-Posts.

Die Maßnahmen der EU-Kommission zum Nachlesen finden Sie hier