Frau Steht vor Wand mit Beamer und referiert

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Der eine arbeitet als CAD-Konstrukteur sehr nah am Produkt und sucht den Blick für das Ganze. Der andere stellt sich als künftiger Entwicklungsleiter die Frage, wie er die Prozesse seiner Abteilung und die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen steuern kann: Michael Schürmann und Stephan Musiolik sind Teilnehmer des „Bildungsmotors“ im Spitzencluster it's OWL. Gemeinsam mit insgesamt elf Teilnehmern aus fünf kleinen und mittleren Unternehmen haben sie sich mit dem Ansatz des Systems Engineering (SE) beschäftigt.

Systems Engineering - Entwickeln für die Industrie 4.0

Systems Engineering ist ein fachübergreifender Ansatz, um komplexe technische Systeme ganzheitlich und effizient zu entwickeln. Die Herausforderung liegt darin, dass technische Systeme – auch vor dem Hintergrund der Industrie 4.0 – immer komplexer werden. Bei der Entwicklung ist es wichtig, dass von Beginn an alle Disziplinen, wie der Maschinenbauer, der Elektroingenieur oder der Softwaretechniker auf einer gemeinsamen Ebene kommunizieren.

Den Blick für das Gesamtprojekt schulen

Der Arbeitgeber von Michael Schürmann ist ein typischer Maschinen¬ und Anlagenbauer: Die IMA Klessmann GmbH stellt Maschinen und Fertigungsstraßen für die Holzbearbeitung her. Michael Schürmann arbeitet als Konstrukteur auch mit Elektrokonstrukteuren und Softwareentwicklern gemeinsam an Projekten. „Mir und meinen Kollegen aus den verschiedenen Entwicklungsbereichen fehlt da öfter der Blick auf das Gesamte“, erläutert Schürmann. „Zum Beispiel kommt es vor, dass ich meinen Part konstruiere, ohne mich vorher mit meinem Kollegen aus der Elektrotechnik abzusprechen. Dann merken wir zu spät, dass unsere Arbeiten am selben Projekt nicht zusammenpassen und müssen Anpassungen vornehmen.“

Die Kommunikationsstrukturen in seiner Abteilung will auch Stephan Musiolik künftig mit Methoden des Systems Engineering optimieren. Die Karl E. Brinkmann GmbH ist Hersteller von Komponenten für elektrische Antriebs¬ und Steuerungstechnik. Stephan Musiolik nimmt künftig die Schnittstelle zwischen seiner eigenen Abteilung und dem Qualitätsmanagement, dem Einkauf und dem Vertrieb in seinem Unternehmen ein. „Meine Aufgabe ist es zum Beispiel, die Anforderungen von Lieferanten oder Kunden an unsere Produkte korrekt zu erfassen und zusammenzubringen. Es reicht nicht aus, sich in der Entwicklung etwa nur an den normativen Anforderungen zu orientieren und die Anforderungen des Services zu vergessen. Das Produkt muss beim Kunden schließlich auch gewartet werden können.“

Ein Systemmodell als idealer Einstieg ins Projekt

In verschiedenen Bausteinen beschäftigten sich zuletzt elf Teilnehmer des Weiterbildungsprogramms ein halbes Jahr lang mit dem Thema Systems Engineering. Sie wurden begleitet durch Wissenschaftler der Fraunhofer-Einrichtung für Entwurfstechnik Mechatronik IEM. „Wir arbeiten oft in Kleingruppen zusammen. Unsere Seminare haben Workshop-Charakter, jeder kommt zu Wort, kann sich einbringen und Systems Engineering ausprobieren und anwenden“, erläutert Anja Czaja vom Fraunhofer IEM.
Die Methode CONSENS hat sich dafür als besonders geeignet erwiesen. Ein gemeinsames Entwicklungsproblem wird hier zunächst mithilfe von Kartentechnik grafisch abgebildet, das zu entwickelnde System wird mit allen Beteiligten gemeinsam modelliert und diskutiert. „Mit solch vermeintlich einfachen Mitteln gelingt uns der ideale Einstieg in das Projekt, bei dem alle Beteiligten mitgenommen werden. Das ist auch für uns als Wissenschaftler immer wieder spannend,“ sagt Harald Anacker vom Fraunhofer IEM. Michael Schürmann bestätigt das: „Allein beim Erstellen des Umfeldmodells tauchen im Kurs Fragen auf, die bei uns im Unternehmen eigentlich erst später behandelt werden“, berichtet der Konstruktionstechniker. „Im Kurs haben wir dann auch einen sehr umfangreichen Fragenkatalog zusammengestellt. Mit so einer Grundlage könnte das Projekt in der Realität deutlich strukturierter starten.“

Bei dem Text handelt es sich um die überarbeitete Version eines Artikels aus dem Themenheft „Digitale Bildung“.