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Produkte aus der Region haben gegenüber national oder international vertriebenen Erzeugnissen eine bessere Klimabilanz. Regionalität allein ist jedoch noch kein Ausweis dafür, wie stark das Klima vom Ausstoß schädlicher Treibhausgase durch ein Produkt belastet wird. Um herauszufinden, wie klimafreundlich oder auch -schädlich ein Produkt tatsächlich ist, muss eine CO₂-Bilanz erstellt werden. Dabei gilt es, den gesamten Lebenszyklus eines Produktes zu betrachten, von der Erzeugung und Anlieferung der Rohstoffe über die Herstellung und Verarbeitung bis hin zum Vertrieb und der Verwertung oder dem Recycling des Produktes.

Beispiel: CO₂-Fußabdruck einer Bierproduktion

Für genau diesen Weg entschied sich die Chemnitzer Brauerei Reichenbrand. Im Jahr 2021 führte sie das sogenannte Kulturbier ein, bei dem ein Teil der Erlöse dem Erhalt der örtlichen Kulturszene zugutekommt. Der Erfolg des Bieres sowohl in sozialer als auch ökonomischer Hinsicht sollte nun auch noch auf den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit ausgeweitet werden. Dazu war es notwendig, den CO₂-Fußabdruck (Corporate Carbon Footprint, CCF) des Getränks zu ermitteln. Gemeinsam mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Chemnitz setzte die Brauerei einen strukturieren Prozess auf.

Zur CO₂-Bilanzierung wurden zunächst eine Systemanalyse und Modellvorbereitung durchgeführt, um zu bestimmen, welche relevanten Daten in welchem Umfang erfasst werden müssen. Hierzu wurden Materialfluss- und Energieverbrauchssimulationen transparent aufbereitet. Die Simulationen dienten gleichzeitig als Grundlage dafür, potenzielle CO₂-Reduktionsmaßnahmen zu untersuchen. Im nächsten Schritt erfolgte die Datenerhebung und -analyse. Dabei wurden primäre Datenquellen wie monatliche Zählerstände von Gas, Wasser und Strom, Produktionsmengen, Abfüllprotokolle und Energiemessungen herangezogen. Durch Prozessuntersuchungen und die Integration in das Simulationsmodell konnten produktionsspezifische Zusammenhänge visualisiert werden.

Das Projekt legte großen Wert auf die Klärung der Frage, wie die verschiedenen Prozessstufen die gesamte CO₂-Bilanz beeinflussen. Daher wurden die Richtigkeit und Relevanz der erfassten Daten genau geprüft, um den CO₂-Eintrag in jeder Prozessstufe zu identifizieren. Tatsächlich ergab die Auswertung der Daten, dass die CO₂-Emissionen der einzelnen Prozessstufen unterschiedlich zur Gesamtbilanz beitragen. Innerhalb des Unternehmens betrug der CO₂-Ausstoß 8,33 kg/hl, während Prozesse außerhalb der Unternehmensgrenzen CO₂-Äquivalente von 27,72 kg/hl verursachten. Als Gesamtergebnis konnte festgehalten werden, dass die Emissionen bei der Herstellung des Kulturbieres insgesamt gering sind. Dennoch wurden in einzelnen Prozessstufen Optimierungspotenziale identifiziert, durch die sich die CO₂-Bilanz des Getränks weiter verbessern lässt.

CO₂-Bilanzierung – so geht’s

Das Beispiel der Brauerei Reichenbrand lässt sich gut verallgemeinern und auf andere kleine und mittlere Unternehmen anwenden. Im Wesentlichen erfordert eine CO₂-Bilanzierung dabei die folgenden Schritte:

  1. Ziele festlegen und Methodik beziehungsweise Standard zur CO₂-Bilanzierung wählen
  2. Daten erheben, prüfen und analysieren

Ziele festlegen

Definieren Sie die Ziele, die Sie mit der Treibhausgasbilanz erreichen wollen. Sollen lediglich die Emissionen erfasst oder auch Reduzierungsmaßnahmen geplant werden? Beginnen Sie am besten mit der Festlegung, in welchen Geltungsbereichen die CO₂-Bilanzierung vorgenommen werden soll. Gemäß dem Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protocol), einem international anerkannten Standard zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen, werden drei Geltungsbereiche, Scopes genannt, unterschieden:

Scope 1 bezieht sich auf Emissionen aus Quellen, die direkt in Ihrem Besitz sind (Heizungsanlage, Solaranlage, Fuhrpark etc.). Bei Scope 2 handelt es sich um die indirekten Emissionen, die Sie einkaufen oder beziehen, zum Beispiel Energielieferungen von Strom- oder Wärmeanbietern. Zu Scope 3 schließlich sind alle indirekten Emissionen zu zählen, die entlang der Wertschöpfungskette Ihres Unternehmens entstehen, etwa durch Zulieferer, aber auch durch berufsbedingte Fahrten von Mitarbeitenden oder bei der Entsorgung von Produkten.

Methodik wählen

Im nächsten Schritt entscheiden Sie sich für eine Methode oder einen Standard zur CO₂-Bilanzierung. Neben dem kostenfreien GHG-Protocol gibt es etliche andere Standards beziehungsweise Zertifizierungsverfahren, die aber zum Teil kostenpflichtig sind, wie die im deutschen Raum prominente DIN ISO 14064-1. Um die passende Methode für Ihr Unternehmen zu finden, wenden Sie sich am besten an ein Mittelstand-Digital Zentrum. Dort erhalten Sie einen anbieterneutralen Überblick über alle Angebote.

Daten erheben, prüfen und analysieren

Wie bei anderen Bilanzen sind auch für die Erstellung einer CO₂-Bilanz Daten erforderlich, in diesem Fall zu den Emissionen des Unternehmens. Diese Daten können aus verschiedenen Quellen stammen, wie etwa zu den Energieverbräuchen durch Strom, Gas, Heizöl etc., aus dem Kraftstoffverbrauch und den Wartungskosten für Fahrzeuge, den eingesetzten Materialien und Rohstoffen oder auch den zu entsorgenden Abfällen. Welche Daten erfasst werden, hängt von der gewählten Erhebungsmethode zur CO₂-Bilanzierung sowie den jeweils gesteckten Zielen ab.

Vorwurf des Greenwashings vermeiden

Da Nachhaltigkeit und Klimaschutz noch recht junge Disziplinen in der Unternehmensführung sind, ist die Versuchung groß, es dabei nicht allzu genau zu nehmen. Wer sich jedoch nicht an gängigen Standards orientiert, sondern stattdessen eigenen Kriterien folgt, diese aber nicht transparent darlegen kann, handelt sich rasch den Vorwurf des Greenwashings ein. Daher sollten Sie gerade bei der CO2-Bilanzierung immer bei der Wahrheit bleiben. Damit einher geht die Forderung, Transparenz über die eigenen Nachhaltigkeitsleistungen zu schaffen. Dafür ist es notwendig, diese mit belastbaren Daten zu unterfüttern. Gefragt sind neben Informationen aus dem Unternehmen oft auch die von Zulieferern und Partnern.

Daten selbst erfassen

Für die Datensammlung bieten sich sowohl Fragebögen als auch Gespräche und Interviews mit Stakeholdern sowie die Erfassung und Verarbeitung über IT-Systeme an. In der Regel können die Datenmit mithilfe von Standard Bürosoftware (Textverarbeitungs- Tabellenkalkulationsprogrammen etc.) gesammelt und redaktionell aufbereitet werden. Soweit vorhanden eignen sich aber auch Projektmanagement-Tools und Data-Repository-Lösungen wie Datenbanken und/oder Intranet.

Tools zur CO₂-Bilanzierung

Auf dem Markt gibt es längst Softwarelösungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese lassen sich meist über Schnittstellen gut in die eigene IT-Landschaft integrieren und bieten mit auf Nachhaltigkeitsmanagement angepassten Dashboards die Möglichkeit, Analyse, Monitoring, Controlling und Berichterstattung über ein zentrales Tool zu steuern. Um passende Tools für Ihr Unternehmen zu finden, wenden Sie sich ebenfalls am besten an ein Mittelstand-Digital Zentrum; dieses wird Sie bei der Suche nach einem für Ihre Bedürfnisse geeigneten Tool unterstützen. Dort finden Sie auch Informationen zu CO₂-Rechnern im Internet. Für kleine und mittlere Unternehmen empfehlenswert ist hier etwa BWIHK-ECOCOCKPIT der IHK Baden-Württemberg oder das Tool ecocockpit der Effizienzagentur NRW.

Welche Berichtspflichten für kleine und mittlere Unternehmen gelten, erfahren Sie in diesem Themenhub im Abschnitt „Was KMU zur Berichtspflicht über Nachhaltigkeitsmaßnahmen wissen sollten“.