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Zu den Erfolgsrezepten des deutschen Mittelstandes gehört die hohe Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse unterschiedlicher Märkte. Dank ihrer Nähe zu Kundinnen und Kunden, sei es im B2B- oder im B2C-Bereich, stellen sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oft schneller als größere Firmen und Konzerne auf Veränderungen ein. Die im nationalen und globalen Wettbewerb anstehende Transformation zu nachhaltigen und insbesondere auch klimaneutralen Prozessen ist daher für den deutschen Mittelstand Herausforderung und Chance zugleich. Denn längst ist Klimaneutralität mehr als nur ein Trend. Angesichts der fortschreitenden Erderwärmung, ihren Folgen und den globalen Bemühungen diese zu beschränken, bestimmt Klimaneutralität zunehmend auch über die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Unternehmen und schlägt damit eine Brücke zwischen ihrer heutigen und zukünftigen Leistungsfähigkeit.

So gesehen ist Klimaneutralität mehr als nur ein ethisches Thema für Unternehmen. Zwar wächst ihre Verantwortung, ihr Handeln an den Folgen zu messen, die es für zukünftige Generationen hat. Doch das Thema ist mittlerweile auch zu einem zentralen To-do erfolgreicher Unternehmensführung geworden. Wie wirtschaftlich und effizient ein Unternehmen arbeitet, hängt zunehmend auch davon ab, wie klimaneutral es agiert. Die steigende CO₂-Bepreisung spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Märkte, die mehr und mehr Produkte und Angebote klimaneutraler Unternehmen bevorzugen. Hinzu kommen regulative Vorgaben, die Unternehmen dazu verpflichten, durch ihr Wirtschaften weniger Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) zu verursachen. Wie dies KMU gelingt und wie sie beim Brückenbau zur Transformation eines klimaneutralen Unternehmens vorgehen können, erfahren Sie in diesem Themenhub.

Was ist Klimaneutralität? Was bedeutet sie auf Unternehmensebene?

Bislang existiert keine allgemeingültige, verbindliche Definition, nach der Produkte, Leistungen oder Unternehmen als „klimaneutral“ bezeichnet werden können.

Es gibt aber wichtige Bezugsgrößen wie das Pariser Klimaabkommen von 2015 mit dem Ziel, bis 2050 ein Gleichgewicht zwischen THG-Emissionen und deren Abbau zu schaffen. Die Bundesregierung hat sich mit dem Klimaschutzgesetz zum Ziel gesetzt, die THG-Neutralität Deutschlands bis 2045 zu erreichen. Ähnlich argumentiert auch das Europäische Parlament: „Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.“ Mit dem Begriff Kohlenstoffsenken sind natürliche Reservoirs gemeint, die mehr Kohlenstoff aufnehmen beziehungsweise speichern als sie abgeben. Beispiele dafür sind Wälder, Böden und Ozeane.

Dieses Gleichgewicht wird oft als CO₂-Neutralität, Treibhausgasneutralität oder eben Klimaneutralität beschrieben. International wird meist vom Erreichen eines „Net Zero“, also einem Netto-Null-Ziel gesprochen. Auf Unternehmen bezogen bedeutet das, das jedes Unternehmen für seine THG-Emissionen sicherstellen muss, dass mit ihnen das 1,5-Grad-Ziel insgesamt nicht überschritten wird.

Zum Erreichen dieses Ziels stehen Unternehmen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Sie können ihre Emissionen reduzieren oder ausgleichen (mehr dazu siehe „So wird Ihr Unternehmen klimaneutral“). Eine Analyse des Umweltbundesamtes zu 34 Initiativen, Normen, Zertifizierungen und Netzwerken zum Thema Klima- und THG-Neutralität ergab, dass insbesondere internationale Initiativen vor allem die Emissionsreduktion empfehlen. Auf dem deutschen Markt sind dagegen Zertifikationsanbieter vertreten, die laut Studie „den Fokus mehr auf Kompensationen als auf strategische Emissionsminderung setzen“.

Transparenz als Motor zur Treibhausgas-Reduzierung

Die Unschärfe des Begriffs „Klimaneutralität“ wird in den kommenden Jahren dabei erwartbar abnehmen. Dazu wird vor allem die Nachhaltigkeitsberichtspflicht (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) für Unternehmen beitragen. Sie gilt ab 2024 nicht mehr nur für finanzorientierte Unternehmen wie Banken und Versicherungen, sondern zunächst auch für größere Unternehmen. Als größeres Unternehmen gelten Firmen, die zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: 1) Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Euro, 2) Nettoumsatzerlöse von mindestens 40 Millionen Euro und 3) mindestens 250 Mitarbeitende. Bis 2028 werden sukzessive auch kleinere und mittlere Unternehmen mit 250 und weniger Mitarbeitenden von der Erweiterung der Nachhaltigkeitsberichtspflicht erfasst – lediglich Kleinstunternehmen (bis 9 Beschäftigte) werden dann von der Pflicht ausgenommen sein. Dadurch gewinnen Standards an Bedeutung, die Klimaneutralität nach transparenten Maßstäben erfassen. Schon heute gibt es einige Standards, die international anerkannt sind und als Referenz herangezogen werden können – mehr zu diesen Standards und Initiativen finden Sie im Artikel „Klimabilanzen ermitteln im Mittelstand“.

Warum sich der Einstieg in die Klimaneutralität schon heute für den Mittelstand lohnt

Zwar sind kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland noch nicht direkt von den gesetzlichen Anforderungen der CSRD betroffen, doch werden sie häufig von ihren Kundinnen und Kunden sowie Zulieferern aufgefordert, eine CO₂-Bilanzierung vorzulegen beziehungsweise CO₂-Emissionen zu reduzieren. Doch nicht nur aufgrund des Drucks von außen lohnt es sich für den Mittelstand schon jetzt, die eigene Klimabilanz zu erfassen und zu optimieren. Angesichts steigender Energie- und CO₂-Preise rechnet sich die Reduzierung des Energieverbrauchs bereits heute. Zumal der Einsatz erneuerbarer Energien, insbesondere über eigene Photovoltaik-Anlagen, zunehmend wirtschaftlicher wird.

Die Digitalisierung der Unternehmen ist für diese Transformation sowohl notwendige Voraussetzung als auch ein Treiber dieser Entwicklung. Wer seine Prozesse digital erfasst, kann sie mithilfe auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierender Tools analysieren und so automatisieren, dass Ressourcen und Energie eingespart werden. Zudem eröffnet die Digitalisierung den Weg zu nachhaltigen und klimaneutralen Geschäftsmodellen. Schon heute gewinnen in vielen Märkten beispielsweise klimaschonende Sharing-Modelle immer mehr an Bedeutung. Auch Trends wie der Wunsch vieler Kundinnen und Kunden nach einer längeren Lebensdauer von Produkten, der Möglichkeit, Produkte auch selbstständig reparieren zu können, der Nutzung emissionsarmer oder -freier Transportmittel oder die Vermeidung von Müll (Zero Waste) eröffnen gerade kleinen und mittleren Unternehmen eine Vielzahl neuer Chancen. Diese zu erkennen und zu nutzen, gelingt sicher denjenigen am besten, die schon heute damit beginnen, für ihr Unternehmen eine Brücke zur klimaneutralen Zukunft zu bauen. In diesem Themenhub finden Sie Beispiele und Inspirationen, die Sie auf diesem Weg begleiten sollen.